Nach langer Abstinenz stand nun mal wieder ein Kurzurlaub auf dem Programm, es ging nach Vietnam, wo ich mich mit Henning treffen sollte. Wir kamen beide bei Claudia unter, einer Bekannte Hennings und Infojahrlerin aus dem Januar-Jahrgang.
Den ersten Nachmittag verbrachten Henning und ich mit Sightseeing und einfach damit, das Flair der Stadt aufzusaugen. Ho Chi Minh City, das ehemalige Saigon, ist die Wirtschaftsmetropole Vietnams. Ich habe gelesen, dass Vietnam in der Entwicklung ca. 15 Jahre hinter den anderen „Tigerstaaten“ wie Thailand oder Malaysia ist, aber alles daran setzt, um aufzuholen. So sind auch schon einige beeindruckende Bürotürme entstanden, und riesige Werbetafeln aller möglichen Weltunternehmen sind nicht zu übersehen. Claudia erwähnte, dass ihr eine Bekannte erzählt hatte, dass noch vor wenigen Jahren anstatt der vielen Mofas auf den Straßen Fahrräder allgegenwärtig waren. Auch dies ein Zeichen einer wirtschaftlichen Entwicklung und der Ausbreitung von „Wohlstand“.
Saigon ist natürlich stark geprägt von seinen ehemaligen Besatzungsmächten, insbesondere durch die lange Kolonialherrschaft Frankreichs, aber natürlich auch durch die Amerikaner während des Vietnamkrieges (von den Vietnamesen Amerikanischer Krieg genannt). Architektonisch sind hier viele Gebäude zu finden, die auch irgendwo in Frankreich oder im sonstigen Europa stehen könnten, allen voran die Kathedrale Notre-Dame, das Hauptpostamt (erbaut von einem gewissen Gustave Eiffel) und das ehemalige Rathaus.

Die oben erwähnten vielen Mofas in der Stadt sind ein weiteres „inoffizielles Wahrzeichen“, von dem jeder Besucher HCMC's berichtet. Wie riesige Schwärme wuseln sie durch die Straßen, begleitet von einem ständigen Hupkonzert, um die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen „Achtung jetzt komme ich“. Besonders eindrucksvoll ist es, wenn 50 Mofas auf einmal losfahren, wenn eine Ampel auf grün springt. Vom Straße überqueren darf man sich allerdings von den vielen Zweirädern nicht abhalten lassen, einfach in konstantem Tempo und ohne stehen zu bleiben loslaufen, die Mofas weichen gekonnt vor und hinter einem aus.

Schließlich gingen Henning und ich ins Kriegsopfermuseum, das neben einigen erbeuteten Militärfahrzeugen im Außenbereich vor allem mit schockierenden Bildern und sonstigen Zeugnissen von der Grausamkeit des Krieges berichtet (allerdings aus recht einseitiger Perspektive). So sind erschütternde Fotos von Napalm-Opfern und von aufgrund des extensiven „Agent Orange“-Einsatzes verkrüppelten, entstellten und geistig behinderten Menschen zu sehen. Obwohl manchmal die Ekelgrenze erreicht wurde, war es trotzdem eine interessante und lehrreiche Lektion.
Abends gingen wir – natürlich – vietnamesisch essen, Spezialitäten sind neben Frühlingsrollen und „Poh“-Nudelsuppen eine Art „Wrap“ zum selber rollen: man nehme Fleisch- oder Fischstücke, füge ein wenig Gemüse hinzu und rolle dies in Salat- oder Kräuterblätter ein und dippe den fertigen „Wrap“ in eine Chili- oder Fischsauce. Sehr frisch und sehr lecker.
Anschließend gingen wir ins „Camargue“, ein hauptsächlich von Expats besuchter Club mit toller Livemusik. Bei ein Paar Drinks und tanzen hatten wir unseren Spaß bis ca. ein Uhr, ähnlich wie in Thailand gibt es in Vietnam eine recht frühe Sperrstunde. Doch davon ließen wir uns nicht beirren, während Claudia mit einer Freundin noch eine Runde Billard spielen ging, schlossen Henning und ich ins einer Gruppe Franzosen (von denen gibt es in Vietnam viele) an und gingen in einen Club mit Sonderarrangement, der zwar von außen nicht zu erkennen war, aber recht groß und professionell aufgezogen war – hier sind sich Saigon und Bangkok also sehr ähnlich.
Nachdem wir anschließend noch in eine Touristen-Nepp-Bar mit überhöhten Preisen bzw. doppelter Rechnungsstellung geraten waren (abgelegt unter E wie Erfahrung) freuten wir uns auf ein Paar Stunden Schlaf, bevor am nächsten Tag unsere Mekong-Tour losgehen sollte. Es wurde sogar mehr Schlaf als gedacht, denn wir verschliefen und fuhren nicht wie geplant mit dem Boot in Richtung Mekong-Delta, sondern mit dem Bus.
Die 2-tägige Tour als solche stellte sich als äußerst interessant und sehenswert heraus. Im Mekong-Delta spielt sich fast alles Leben auf dem Wasser ab, die Menschen wohnen überwiegend am oder sogar auf dem Wasser, und Haupt-Verkehrs- und Transportmittel ist das Boot. Die Landschaft ist wie nicht anders zu erwarten sehr grün und fruchtbar, sie gilt als die Reiskammer Südvietnams, darüber hinaus wird viel Obst angebaut und Fischfang betrieben.

Während der beiden Tage befuhren wir in den Gegenden rund um Vinh Long und Can Tho mal kleinere, mal größere Kanäle oder den riesigen, seeartigen Hauptlauf des Mekong, genossen die lokalen Spezialitäten, besichtigten eine Puffreis-Manufaktur, ließen uns Pythons um den Hals legen, bestaunten die berühmt-berüchtigten Schnäpse mit eingelegten Schlangen und Skorpionen, und bewunderten einfach nur die unglaubliche schöne Landschaft und das faszinierende Treiben auf und am Wasser.




Ein besonderes Highlight war unser „Homestay“ in einer kleinen Pfahlbau-Anlage in irgendeinem Seitenarm des Mekong. Die Stille war einfach herrlich und abends unterhielten wir uns lange mit zwei Amerikanern, die seit 2 bzw. 4 Jahren in Japan arbeiten und leben. Stundenlang tauschten wir unsere unterschiedlichen Erfahrungen mit der Kultur und den Menschen unseren jeweiligen Gastländern aus. Obwohl ich diese Lektion längst gelernt habe, erhielten wir mal wieder eine Bestätigung dafür, dass nicht „alle Asiaten gleich“ sind, sondern zum Teil sehr große Unterschiede zwischen Ländern wie Thailand, Vietnam, Singapur und Japan herrschen.
Während Claudia am Montag wieder arbeiten musste und Henning bereits mittags wieder zurückflog, hatte ich noch bis zum späten Nachmittag Zeit, um mir ein Paar weitere Dinge in HCMC anzuschauen. So ging ich überden Ben Tanh Markt, ins Stadtmuseum, machte einen ausgedehnten Spaziergang durch die Innenstadt und legte einen Abstecher in die Backpacker-Gegend ein, bevor es abends wieder nach Bangkok ging. Ein etwas bitterer Beigeschmack: die Zeichen von Armut waren – trotz des oben beschriebenen Aufschwungs – doch nicht zu übersehen. So ist man als Tourist in HCMC Freiwild für die „Cyclos“, Fremdführer und Fahrradtaxis in einem. Ständig wird man von ihnen angesprochen mit dem Ziel, einen für ein Paar Dollar einige Stunden umherzufahren. Nach dem zehnten Mal fällt es einem dann schon recht schwer, mit einem Lächeln „no, thank you“ zu sagen. Aber man muss hierfür Verständnis haben, denn ein großer Teil der Vietnamesen nimmt eben noch nicht am Aufschwung teil und lebt noch immer in Armut oder zumindest in bescheidenen Verhältnissen.


Die vier Tage waren ein weiteres Highlight meiner „Südostasien-Erkundung“, das mir wieder einmal interessante Einblicke bot und viele neue Eindrücke mit sich brachte. Und ein ganz besonderes Dankeschön geht an unsere Gastgeberin und Organisatorin Claudia!